Die Zerstörung des Indianischen Lebensraumes

Entgegen allen in Europa verbreiteten Vorurteilen ist Bolivien nicht der gebirgige Andenstaat schlechthin. Im Gegenteil: ungefähr zwei Drittel des Territoriums sind ausgedehntes Tiefland. Das bolivianische Amazonasgebiet ist mit einer Fläche von etwa 350.000 km2 ungefähr so groß wie Deutschland.

Die ausgedehnten tropischen Regenwälder und Feuchtsavannen (Pampas und Sümpfe) des Amazonasbeckens haben ein sehr fein ausgewogenes Ökosystem. Der große Reichtum an Flora und Fauna lässt kaum vermuten, wie kompliziert und anfällig diese Lebensvielfalt ist.

Rurrenabaque-Fluss

Ein empfindliches Ökosystem

Der tropische Regenwald im Amazonasbecken eignet sich überhaupt nicht für eine landwirtschaftliche Intensivnutzung oder anderen uneingeschränkten Raubbau! Schließlich besitzt er nur eine dünne Humusschicht mit wenigen Nährstoffen. Die Mehrzahl der Nährstoffe befindet sich nämlich in den Pilzen, Parasiten und Mikroorganismen. Somit verringert sich durch Übernutzung und besonders durch Brandrodung die Fruchtbarkeit des Bodens in erheblichen Umfang – Erosion oder gar Verwüstung ist die mögliche Folge.

Viele Schätzungen gehen davon aus, dass wenn die Dynamik der gegenwärtigen Zerstörungen so bleibt, innerhalb der nächsten 30 Jahre Bolivien seine forstwirtschaftlichen Reserven aufgebraucht hat. Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen sind katastrophal! Haupttäter im Krimi um die Vernichtung der „Grünen Lunge" unseres Planeten sind die Holzindustrie und die Massenland- und Viehwirtschaft. Erst an dritter Stelle folgen die Rodungen der Kleinbauern. Aber damit nicht genug: Die Ausbeutung von Erdöl und anderer Rohstoffe verursacht bislang nicht gekannte Verseuchungen der Erde, des Wassers und der Luft.

Yungas

Lebensraum geht verloren

Dieser Raubbau mit all den Umwälzungen dieser fragilen Ökosystems bedroht in besonderer Weise die letzten Überlebenden Hunderter verschiedener Indianervölker in Bolivien und den anderen Amazonasbeckenstaaten. Sie verlieren zusehends ihren Lebensraum.

Die Indianer im Amazonasbecken lebten über Jahrtausende hinweg im Einklang mit ihrem Lebensraum. Sie hielten ihn fruchtbar und intakt. Ihre diversifizierte und angepasste Nutzung des Regenwaldes durch Wanderfeldbau und Sammelwirtschaft, Fischfang und Jagd, zeigt uns, wie nachhaltiges und verträgliches Wirtschaften im Einklang mit dem Ökosystem sein kann. Man schätzt die Anzahl der verbliebenen Indianer im tropischen Tiefland Boliviens auf etwa 200.000 – vor der spanischen Eroberung waren es in etwa 1 bis 2 Millionen.

Die Überlebensbedrohungen der gesamten indianischen Urbevölkerung im Amazonasbecken sind vielschichtig. Sie haben bis heute keinerlei Besitzrechte – die Regierungen betrachten ihren Lebensraum als unbewohntes Brachland und verfügen darüber, ohne die rechtmässigen Besitzer in Betracht zu ziehen! Den indianischen Lebensraum bedrohen neben den Großgrundbesitzern in Landwirtschaft und den Rohstoffausbeutenden Großindustrie auch immer mehr Kleinbauern. Sie dringen tief ins amazonische Tiefland ein. Meist ist ihnen die die tropische Kultur und Umwelt fremd – oft sind es Illegale. Viele sind Verlierer der der Industrialisierung, die hier ihr Glück suchen. Der rasante Ausbau von Straßen und Pisten beschleunigt diese Prozesse. Und die Eindringlinge respektieren nicht die ökologischen und ethnischen Schutzgebiete und Indianerterritorien.

Ufer-Laguna-Volcan

Die indianische Identität

Der Verlust des freien Lebensraums, der Entzug der ökologischen Grundlagen, die staatlichen Bestrebungen, den Indianern Sesshaftigkeit aufzuzwingen und nicht zuletzt die Missionsbestrebungen der Kirchen drängen die Tieflandindianer in Armut und soziale Randexistenz. Ferner verlieren sie ihre kulturelle Identität. Sprache, Sitten und Gebräuche, Glaube und Mystik kommen abhanden. Das Selbstwertgefühl geht verloren und die Indianer flüchten immer öfter in Alkoholismus und Drogen.

Mit dem Ziel, ihre angestammten Territorien zu verteidigen und eine gerechte Entwicklung einzufordern, organisieren sich Indianer des bolivianischen Amazonasgebietes. Trotz erster Erfolge geht der Kampf um Annerkennung von Rechten, Territorien und Kultur weiter – gegen den Widerstand von Großgrundbesitzern, Unternehmen und kleinbäuerlichen Siedlern.

Amboro-Park