Bolivien Sajama Gigant ohne Wasser und Strom

Sajama - Gigant ohne Wasser und Strom

Ein Reisebericht aus Südamerika - Bolivien. Von Thomas Wilken.

Da ich auch den umliegenden Nationalpark besuchen möchte, gebe ich dem Sajama den Vorzug vor dem Illimani, und dank des besten Preises buche ich wieder bei Alberth Tours. Übrigens hatte ich auch beim Club Andino Boliviano angefragt, der sich aber als wenig hilfreich erwies. Die Tourpreise liegen über denen anderer Anbieter, und Informationen über individuelle Touren werden gar nicht gegeben. Stattdessen werden teure Alternativen angeboten. Einen Gleischirm können sie ebenfalls nicht auftreiben. Schönen Dank auch, dieser Club ist rein Gewinnorientiert und einen Besuch dort kann man sich getrost sparen.   

Extrem früh geht es hier los, Porfirio und ich nehmen den öffentlichen Bus nach Oruro und zwar den frühest möglichen. Patacamaya heißt unser Zwischenziel, ein kleines Dorf an der Hauptstraße, von wo aus Busse nach Sajama Dorf starten. Wir müssen dort 1 Stunde warten, können aber wenigstens unser nicht unerhebliches Gepäck schon mal zu verstauen, während wir erst mal frühstücken. Durch karge Steppenlandschaften geht die Fahrt, mit einem weiteren Stopp für eine Marktveranstaltung. Unterwegs nehmen wir noch zahlreiche Indigena auf, schwer bepackt mit Ware, zumeist in großen Jutesäcken verstaut.

Sajama ist kleines, völlig abgelegenes Dorf am Fuße des gleichnamigen Berges, mit 6542 Metern der höchste Boliviens. Um das Ganze zu komplettieren wurde schon 1939 das gesamte Umland unter Schutz gestellt und der fällige Nationalpark dann ebenfalls Parque National Sajama genannt. Mit insgesamt 100.2300 ha nicht nur der älteste, sondern auch der größte Nationalpark des Landes. Hier befinden sich noch weitere Vulkanberge, wie zum Beispiel die „Zwillinge“ Pomerape und Parinacota, beide deutlich über der Sechtausendergrenze, dazu der höchste Wald Boliviens (Quenuabäume), Lagunen, heiße Quellen, Geysiere sowie prähispanische Ruinen.

Heimisch sind Vicunias, Kondore, Marsupials, Andenpumas, Gürteltiere, Andenfüchse, Flamingos und Andenwildkatzen, also eine stattliche Auswahl interessanter Tierarten.

Doch zuerst heißt es sich registrieren lassen und die Gebühr bezahlen, das geht allerdings recht schnell und unkompliziert von statten. Das Dorf ist sehr einfach aufgebaut, Strom und Wasser gibt es hier nicht, aber einen kleinen Laden, in einem Restaurant platziert, und ein paar extrem einfache Hospendajes. Das Ganze auf immerhin 4300 Metern Höhe.

Wir wollen es noch einfacher und übernachten auf 4700 Metern im Zelt, gleichzeitig das Basislager für die Besteigung des Sajamas. Neben interessanten Baumarten säumen Llamas unseren Weg, immer im Angesicht dieses gewaltigen Eisklotzes. Eine erneut kalte Nacht erwartet uns, dann machen wir uns schwer bepackt über karges, steiniges Gelände auf, zum Hochlager. Dieses liegt auf dem Westgrat in 5700 Metern Höhe, es liegen also 1000 Höhenmeter vor uns, mit randvollen Rucksäcken und in bereits großer Höhe. Zuerst geht es sehr gut, der Weg ist gut gangbar und ich finde schnell meinen Rhythmus. Extrem anstrengend werden dann dafür die letzten schätzungsweise 200 bis 300 Höhenmeter, es geht über rutschigen Schnee und sehr steiles lockeres Geröll. Eine Mordsquälerei mit dem großen Rucksack, auch die Höhe macht mir zu schaffen. Dieses Gelände wäre auch mit normalem Rucksack in den Alpen schon sehr mühsam, und deshalb bin ich heilfroh den Lagerplatz endlich zu erreichen. Hoffentlich habe ich mich nicht zu viel verausgabt, hätte ich vielleicht doch das Angebot mit den Hochträgern annehmen sollen ? Aber das würde die Besteigung unechter machen und außerdem bleibt viel Zeit zur Erholung. Schnell steht das Zelt, nur Essen müssen wir heute noch.

Vor dem starken Wind und der Kälte flüchte ich mich ins Zelt. Eng und unbequem ist es hier, der Untergrund ist trotz Isomatte hart und steinig, und der Wind schüttelt unser Zelt ordentlich durch. Auch die Höhe leistet ihren Beitrag dazu, das wir beide praktisch gar keinen Schlaf bekommen und froh sind, kurz nach Mitternacht endlich aufbrechen zu können. Es ist gar nicht so kalt und mit etwas Bewegung lässt es sich wohl aushalten.

Sofort geht es steil zur Sache, zum Glück ist der Rucksack viel leichter geworden. Eine kleine Eiswand mit einem scharfen Gradstück bilden die Schlüsselstelle, eher kurz und harmloser als am Huayna Potosi. Dafür bleibt der komplette Anstieg sehr steil, sodass ich einfach keinen Rhythmus reinkriege. Immer wieder muss ich stehen bleiben zum Verschnaufen. Dann quäle mich ein paar Meter höher, bevor ich wieder anhalten muss. Ich wähne mich langsam, und noch weit vom Gipfel entfernt, als Porfirio meint, wir habens gleich, nur noch eine halbe Stunde. Das motiviert natürlich und somit quäle ich mich weiter, bis tatsächlich das breite Gipfeldach vor mir auftaucht. Es hat wirklich fast die Größe eines Fußballplatzes, Präsident Mesa hatte hier mit seinen beiden Führern ein „Spiel“ ausgetragen. Das war seine Antwort auf die geplante Schließung des Stadions in La Paz durch die Fifa. Da Bolivien dort bevorzugt seine Heimspiele austrägt und den Gegnern, auch prominenten Teams wie Brasilien oder Argentinien als Konsequenz regelmäßig die Luft ausgeht, heißt es das Stadion sei zu hoch (3600 Meter). Daraufhin kam Mesa auf die Idee vor zahlreichen Presseleuten zu beweisen, das es selbst auf 6542 Metern Höhe noch möglich ist Fußball zu spielen, und trat diesen Beweis gleich selbst an.

Mir ist aber nicht mehr nach Fußballspielen, ich bin fix und fertig. Saukalt ist es, denn die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen und wir haben nur 5 Stunden für den Aufstieg gebraucht. Extrem klar ist die Luft hier oben, deshalb reicht die Sicht quer durch ganz Bolivien, bis hin zur weit entfernten Königskordilliere. Als Zugabe gibt es phantastische Farbenspiele über dem benachbarten Parinacota. Porfirio drängt zum baldigen Abstieg, um vor dem Aufweichen der Eisflächen das Hochlager zu erreichen, und wieder etwas wärmer zu werden. Runter ist es nun nicht mehr annähernd so anstrengend, allerdings laufe ich Gefahr vor lauter Umherschauen zu stolpern, was aber nicht passiert. Sicher geht es auch über die Schlüsselstelle zurück zum Zelt. Hier ist erst mal Pause angesagt, bevor wir alles zusammenpacken und den direkten Weg, eine Abkürzung über eine Firnflanke, zum Basislager einschlagen. Dort entscheiden wir heute noch ins Dorf weiter zu laufen, um uns eine weitere Nacht im Zelt zu ersparen. Das geht bei mir allerdings nicht ohne eine längere Pause und zusätzliche Vitamine. Schließlich wollen wir heute noch das Thermalbad besuchen, um uns etwas zu entspannen. Dieses besteht aus heißen Freiluftquellen und liegt ein paar Kilometer vom Dorf entfernt. Also nichts mit Entspannung, Taxen gibt es hier nämlich nicht. Ich bin völlig platt und des Laufens überdrüssig, hoffe aber bei den Quellen wenigstens den Getränkevorrat auffüllen zu können, eine Fanta wäre schon ein Highlight nach all den Entbehrungen. Doch darauf wird nichts, das nahe gelegene „Hotel“ ist grad nicht besetzt, Scheiße. Dafür treffen wir einen Österreicher Bergsteiger mit seinem Führer. Die beiden kommen vom Parinacota und haben ein Auto dabei, welch ein Geschenk. Nun kann ich das Bad wirklich genießen, bevor wir uns dann in dem Ladenrestaurant einmieten. Es gibt zwar keine richtige Toilette hier, kein Licht und fließend Wasser, dafür aber ein gutes Abendessen und die lang ersehnte Sprite. Ansprüche stellen wir sowieso keine mehr, Hauptsache ein warmes Bett.   

Am nächsten Morgen versuche ich noch das klassische Sajamafoto zu machen, den Blick durch das bogenförmige Kirchhofstor. Leider ist mir ein Eisengatter im Weg, was hier angeblich auch keiner öffnen kann.

Trotzdem mache ich interessante Bilder von Ort und Umgebung, bevor uns noch die lange, aber aussichtsreiche Fahrt nach La Paz bevorsteht. Zwischendurch ist noch ein Abstecher an die chilenische Grenze angesagt. Zur Belohnung gibt es Bier im Kleinbus und unendlich müde lande ich dann am frühen Abend wieder in La Paz.