Piz Misaun (3241 m) Berninagruppe

Unbekannter Berninagipfel

Berninagruppe ist nicht gleich Berninagruppe, oder wer kennt schon die nördlichen Vorberge der gewaltigsten Berggruppe der Ostalpen. Piz Chalchagn, Piz Matras und Piz Misaun sind allesamt stattliche Dreitausender, einfach zu ersteigen und mit tollen Tief-und Nahblicken, aber den wenigsten Bergsteigern ein Begriff.

Piz Misaun

Ihren rötlich gefärbten Schuttrücken fehlen die weiten Gletscherflächen, welche die Berninagruppe sonst auszeichnen, auch mit steilen Felsabbrüchen können sie nicht dienen. Dafür bieten sie aber allesamt einen fantastischen Überblick über die weiße Mauer der Bernina Hauptberge. Piz Cambrena, Palü, Bellavista, Piz Zupo, Argient , Chrasta Agüzza, Piz Bernina und Morteratsch reihen sich wie an einer Perlenschnur auf. Wer dieses Schauspiel nicht vom, einem überdimensionalen Ameisenhaufen gleichenden, Munt Pers über der Diavolezza-Bergstation erleben möchte, für den sind der Piz Misaun oder der Piz Chalchagn die idealen Alternativen. Natürlich drängen sich diese Berge auch als Eingehtouren für die großen Westalpen ähnlichen Unternehmungen in der Gruppe auf.

Ein hoher Ausgangspunkt steht mit der Station Morteratsch ebenfalls zur Verfügung, sodass die Tour bequem als Tagestour durchgeführt werden kann. Die Bovalhütte bietet sich für Übernachtungen an, unten in Morteratsch befinden sich ein großräumiger Parkplatz (5 Franken Gebühr pro Tag) und eine Station der Rhätischen Bahn. Diese ist Haltepunkt der ICE-Strecke von Chur nach Tirano und somit Teil des berühmten Glacier Expresses, welcher über zahlreiche eindrucksvolle Passlandschaften nach Zermatt durchfährt, und als der langsamste Schnellzug der Welt gilt. Dafür sind die Ausblicke auf dieser Strecke umso überwältigender und während der Fahrt wird dem Fahrgast aller erdenklicher Komfort geboten.

Talort ist Pontresina, der zweitbekannteste Ort des Oberengadins nach St. Moritz, auf 1805 Metern Meereshöhe. Pontresina war früher ein an der Berninapaßstraße gelegenes Straßendorf im höchsten Seitental des Oberengadins und ist heute ein vielbesuchter Kur-und Wintersportort. Es wurde 1129 erstmals urkundlich erwähnt war aber bereits in der Bronzezeit besiedelt. Der Ortsname leitet sich vom Brückenbauer Saracenus (Pons sarasinae) her. Aufgrund eines Großbrandes im Jahre 1718 befinden sich nur noch wenige ältere Bauwerke im Ort, dafür aber viele stattliche Bürgerhäuser aus der sog. Belle Epoque. Typische Bündner Steinhäuser mit charakteristisch abgewinkelten Vorderfronten, kunstvollem Sgraffiti und Gitterfenstern prägen das Ortsbild ebenso wie die zahlreichen Bergsportgeschäfte aus der Neuzeit des Massentourismus. Die evangelische Dorfkirche befindet sich im Ortsteil Laret und ist bereits 1640 gebaut worden. Älter noch ist das romanische Kirchlein St. Maria mit seiner flachen Arvenholzdecke von 1497 und Fresken aus dem 13. Jahrhundert. Weitere Highlights sind die Brücke Punt Ota, ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert, die Ruine des fünfeckigen Spaniolaturmes und das Museum Alpin.

 

Der Wegverlauf:

Drei einfache Möglichkeiten gibt es um den Piz Misaun zu besteigen, einmal von Pontresina aus direkt über den Piz Chalchagn und den Nordgrat, dann von der Station Morteratsch direkt über die Osthänge oder von der Bovalhütte aus über die Osthänge.

1) Von Pontresina über den Piz Chalchagn

Der Nordanstieg zum Piz Chalchagn ist von Pontresina aus mit 3,5-4 Stunden zu veranschlagen und bietet, wenn überhaupt, nur leichte Kletterei. Man startet auf der Bahnhofstraße und folgt dann der Taispromenade, wo ein Wegweiser die Abzweigung des Pfades zu den Muottas da Puntraschlgina (2004 m) meldet. Von hier aus ersteigen wir östlich des Punktes 2499 den Muot Dadains mit 2545 Metern. Nun führt der Grat über den Chalchagn Pitschen ohne wirkliche Schwierigkeiten mit einigen wirklich leichten Kletterstellen zum Gipfel. Chalchagn bedeutet Ferse, und wirklich hat die Form dieses Berges etwas von einer gigantischen, roten Ferse, zudem bildet sie den nördlichen Eckpunkt der Berninagruppe, also sozusagen die Ferse. Eindrucksvoll sind die Tiefblicke ins Oberengadin, vor allem auf Pontresina, aber auch die herrlich aufgefächerte Berninagruppe läßt keine Wünsche mehr offen. Von hier aus erreichen wir nach einem Zwischenabstieg von ca. 200 Höhenmetern über den Südgrat den Sattel zwischen Piz Chalchagn (3161 m) und Piz Matras (3090 m), eventuellen Kletterstellen können wir über die Rosegtalseite entgehen. Völlig unschwierig überschreiten wir nun den Piz Matras und betreten nach weiteren 100 Höhenmetern Zwischenabstieg den leichten Nordgrat des Piz Misaun. Etwas mühsam lässt sich der aussichtsreiche Gipfel über brüchigen Schutt besteigen.

2) von Morteratsch über die Ostflanke

Knapp 100 Meter höher liegt hier der Ausgangspunkt, wir nehmen zuerst den aussichtreichen Hüttenweg in Richtung Bovalhütte unter die Füße. Allmählich ansteigend geht es an begrünten Wasserfällen und einer bunten Gebirgsflora vorbei, dabei immer die weiß leuchtenden Berninagipfel vor Augen. Direkt unter uns fließt der wild zerrissene Morteratschgletscher dahin als wolle er uns mit seinen Riesenmäulern gleichenden Spalten verschlingen. Etwa anderthalb Kilometer vor der Bovalhütte, bzw. viereinhalb hinter der Station Morteratsch biegen wir Rechterhand in die steilen Osthänge des Piz Misaun ein. Über Rasenhänge geht es weglos, auf beliebigem Weg dahin, die Hänge sind überall gut zu begehen. Mehr und mehr gehen die Rasenflächen in Schutthänge über und der Anstieg wird etwas mühsamer. Über am Schluss steiles Geröll kämpfen wir uns etwas mühsam, ohne ernsthafte Querungen direkt in den kleinen Sattel zwischen Piz Misaun und Pit Matras auf gut 300 Metern. Der felsige Nordgrat bietet nur einige leichte Kletterstellen und nach einer guten halben Stunde ist der Gipfelpunkt geschafft. Noch umfassender als vom Piz Chalchagn ist die Fernsicht hier, ganz Graubünden lässt sich von hier aus überschauen, auch die Ortlergruppe grüßt aus dem fernen Vintschgau herüber. Den Blickfang schlechthin bilden aber die leuchtenden Eisriesen der Berninagruppe, allen voran der formschöne Piz Palü, der mit seinen fast ebenmäßigen drei Pfeilern direkt vor uns in den Himmel ragt. Der Abstieg kann jetzt auch auf dem schon beschriebenen Weg über Piz Matras und Piz Chalchagn erfolgen.

Von der Bovalhütte aus queren wir sofort nach rechts (Norden) in die schrofendurchsetzten Hänge des Piz Boval. Einige Steigspuren erleichtern uns den Höhengewinn. Sobald wir nach ca. 800-900 Metern einen breiten, tief ausladenden Felsausläufer hinter uns gelassen haben können wir geradewegs nach Westen anstiegen und befinden uns praktisch auf dem gerade beschriebenen Wegverlauf, dem wir auch bis zum Gipfel folgen.

Talort: Pontresina (1805 m)

Ausgangspunkt: Bahnstation Morteratsch (1896 m)

Zeiten: Morteratsch-Piz Misaun: 3,5-4 St. , Abstieg 2,5 St. ; mit Piz Chalchagn + 1 St.

Höhenunterschiede: Morteratsch-Piz Misaun: 1350 Hm. ; mit Piz Chalchagn + 300 Hm.

Schwierigkeiten: große Höhe, keine Gletscherberührung, im Fels leicht

Stützpunkt: Bovalhütte (2495 m), tel.: 081/8427848

Übernachtungsmöglichkeiten im Talort: Pontresina: Pros da God, tel.: 055/2404720 ; Samedan: Ferienhaus Lenzburg, tel.: 062/8914521

ÖPNV-Verbindungen: Pontresina und die Station Morteratsch liegen direkt an der Linie Chur-Tirano