Besteigungsgeschichte und Tragödien am Huascarán in Peru

Besteigungsgeschichte und Tragödien am Huascarán in Peru
Blick auf den Huascaran von Huaraz aus

Die Erstbesteigung des Nevado Huascarán in Peru gelang 1932 einer deutsch-österreichischen Expedition. Dieser anspruchsvolle Gipfel, auf dem 1970 eine tragische Lawine Tausende begrub, gilt als technisch mittelschwer, birgt aber objektive Gefahren wie die „Garganta“-Eisschlucht. Für die Besteigung auf über 6.700 Meter sind Bergsteigen-Erfahrung und ein professioneller Führer unerlässlich. Trotz der Risiken bleibt der Huascarán ein legendäres Ziel in den Bergen der Anden, das höchsten Respekt verlangt.

Der Huascarán in Peru - Ein anspruchsvolles Gipfel-Abenteuer

Stelle dich der Herausforderung am höchsten Tropenberg der Welt

Die alpinistische Erstbesteigung (20. Juli 1932)

Die Erstbesteigung des Huascarán Sur gelang am 20. Juli 1932 einer deutsch-österreichischen Expedition unter der Leitung von Philipp Borchers. Das Team bestand aus Borchers, Erwin Schneider, Wilhelm Bernard, Hermann Hoerlin und Erwin Hein. Die historische Bedeutung dieser Leistung wird noch verstärkt, wenn man die weiteren Erfolge der Expedition in Betracht zieht. Nur 14 Tage später, am 3. August 1932, gelang denselben Bergsteigern auch die Erstbesteigung des benachbarten Chopicalqui. Dies belegt, dass die Expedition die Region nicht nur für eine einzelne Besteigung erkundete, sondern systematisch für den internationalen Alpinismus erschloss, was die Cordillera Blanca als weltweit bedeutendes Hochgebirgsziel etablierte.  

Die Katastrophe von 1970

Die tragische Geschichte des Huascarán ist untrennbar mit der Katastrophe vom 31. Mai 1970 verbunden. Ein verheerendes Erdbeben der Stärke 7,9 löste eine gewaltige Fels- und Eislawine am Nordgipfel des Huascarán aus. Die Lawine raste mit einer Geschwindigkeit von rund 120 km/h zu Tal und begrub die Stadt Yungay, das Dorf Ranrahirca und zehn weitere Siedlungen vollständig unter sich. Schätzungen der Opferzahlen reichen bis zu 70.000 Menschen, was die Tragödie zu einer der tödlichsten Naturkatastrophen in der Geschichte Perus und Lateinamerikas im 20. Jahrhundert machte.  

Die Katastrophe ist das extremste Beispiel für die geologischen Gefahren, die dem Gebirge innewohnen. Die gleiche plattentektonische Aktivität, die den Berg formt und emporhebt, ist auch für die seismischen Ereignisse verantwortlich, die massive Fels- und Eismassen in Bewegung setzen können. Das Unglück hatte weitreichende Konsequenzen für die nationale Sicherheitskultur in Peru und führte zur Gründung des peruanischen Zivilschutzes (Indeci) sowie zur Einführung jährlicher Gedenktage und nationaler Katastrophenübungen.

Alpinistische Besteigung und Routenführung

Allgemeine Charakteristik

Die Normalroute auf den Huascarán Sur wird als technisch mittelschwer eingestuft (AD, Assez Difficile), gilt aber aufgrund der extremen Höhe und der sich ständig verändernden Gletscherbedingungen als eine sehr ernstzunehmende Hochtour. Die Herausforderung liegt weniger in den technischen Kletterpassagen als in der körperlichen Anstrengung und der Bewältigung der objektiven Gefahren. Aufgrund der inhärenten Risiken wird eine Besteigung ohne einen professionellen, UIAGM-zertifizierten Bergführer dringend abgeraten. Darüber hinaus ist für jede Besteigung eine Genehmigung des Huascarán-Nationalparks (SERNANP) erforderlich.

Die Besteigung des Huascarán ist eine Hochtour, die dich bis an deine Grenzen führt

Die Normalroute (Huascarán Sur): Eine detaillierte Routenbeschreibung

Die Expedition zur Besteigung des Huascarán erfordert in der Regel ein 6- bis 7-tägiges Programm, das sorgfältig geplant ist, um eine ausreichende Akklimatisierung zu gewährleisten. 

Tag 1: Anreise und Basislager (4200 m): Die Expedition beginnt in Huaraz mit einer Fahrt zum Dorf Musho (2900 m). Von dort aus geht es mit Maultieren auf einem 4- bis 5-stündigen Aufstieg zum Basislager.  

Tag 2: Aufstieg zum Hochlager 1 (ca. 5050-5260 m): Die Route führt über Moränen- und Geröllfelder zum Gletscherrand. Hier beginnt der Aufstieg über den Gletscher, der oft steile Eis- und Firnpassagen aufweist, bevor das Hochlager in einer sicheren Zone errichtet wird. Die Gehzeit beträgt ca. 4-5 Stunden.  

Tag 3: Aufstieg zum Hochlager 2 (ca. 5900-6000 m): Der frühe Aufbruch ist entscheidend. Die Bergsteiger queren große Spaltenzonen und passieren die berüchtigte „Garganta“. Das zweite Hochlager wird in einem geschützten Bereich über diesem gefährlichen Abschnitt errichtet. Die Gehzeit beträgt ca. 6-7 Stunden.  

Tag 4: Gipfeltag (6768 m): Der Gipfelanstieg beginnt in den frühen Morgenstunden, oft bereits zwischen 0:00 Uhr und 1:00 Uhr. Die Route führt über lange, steile Gletscherpassagen mit Neigungen von bis zu 45 Grad und erfordert das Überqueren von Serac-Zonen und Gletscherspalten. Der Gipfelgrat ist meist gut begehbar und bietet einen atemberaubenden Panoramablick auf die gesamte Cordillera Blanca. Der Abstieg erfolgt je nach Kondition und Wetter zum Hochlager 2 oder direkt zum Hochlager 1. Die gesamte Gehzeit am Gipfeltag beträgt 10-14 Stunden.  


Die „Garganta“: Eine kritische Analyse der Gefahren

Die „Garganta“, zu Deutsch „Rachen“, ist der unbestreitbar gefährlichste Abschnitt der Normalroute. Es handelt sich um eine Eisschlucht zwischen den beiden Gipfeln, die ständig von Gletscherspalten, Eistürmen (Seracs) und Lawinen bedroht wird. Die Route durch den zerklüfteten Gletscher ist so unberechenbar, dass sie sich von Jahr zu Jahr ändert. Die objektiven Gefahren in der Garganta sind eine direkte Konsequenz der dynamischen Geomorphologie des Gletschers, die durch den Klimawandel verschärft wird. Der Gletscherrückgang und die erhöhte Instabilität der Eismassen führen zu spontanen Eisschlägen und Lawinen, was diese Passage zu einem der riskantesten Abschnitte der gesamten Hochtour macht.  

Erforderliche Ausrüstung:

Die Besteigung des Huascarán erfordert eine vollständige Hochtourenausrüstung. Dazu gehören neben warmer Kleidung und einem für extreme Kälte ausgelegten Schlafsack auch spezielle Ausrüstungsgegenstände wie Steigeisen, Eispickel, Seile und ein Helm.  


Rettungsstrukturen am Huascarán und in der Cordillera Blanca

1. Bergrettung vor Ort

Peruvian Mountain Rescue (Unidad de Salvamento de Alta Montaña)

Spezialisierte Einheit der peruanischen Nationalpolizei mit Sitz in Huaraz.

Aufgaben: Suche und Rettung, Lawineneinsätze, medizinische Erstversorgung.

Ausstattung: Kletter- und Eisausrüstung, Tragen, teilweise Lawinensuchgeräte.

Einschränkung: Oft begrenzte Mittel, keine permanente Helikopterbereitschaft.

2. Notfallnummern

Allgemeiner Notruf in Peru: 105 (Polizei)

Bergrettung Huaraz (Unidad de Salvamento): erreichbar über Polizei oder direkt über lokale Bergführerverbände.

Krankenhäuser in Reichweite:

  • Hospital Víctor Ramos Guardia (Huaraz)
  • Kleinere Gesundheitsstationen in Caraz, Yungay und Carhuaz (nur Basisversorgung).

3. Helikopterrettung

Hubschrauber sind in der Region verfügbar, allerdings:

  • Meist militärisch oder privat betrieben (z. B. Minenunternehmen).
  • Sehr teuer (mehrere tausend US-$ pro Stunde).
  • Rettungen hängen stark von Wetter und Höhe ab – oberhalb von 6.000 m kaum realistisch.

4. Bergführer und lokale Strukturen

Offiziell ausgebildete Führer sind bei der Asociación de Guías de Montaña del Perú (AGMP) organisiert (Sitz in Huaraz).

Diese stehen in direktem Kontakt mit der Bergrettung und übernehmen oft die erste Koordination im Notfall.

Viele Expeditionen arbeiten mit Trägern, Köchen und Arrieros (Maultiertreibern) – sie können bei Rettungen in tieferen Lagen helfen.

5. Internationale Zusammenarbeit

In großen Unglücksfällen (z. B. Lawinen 2016 oder 2023) arbeiten peruanische Einheiten mit internationalen Rettungsteams und Botschaften zusammen.

Touristen sollten sich unbedingt bei der peruanischen Bergrettungsversicherung (Seguro Andinista) anmelden, die über das Huascarán Nationalparkbüro angeboten wird (kostet nur wenige Dollar pro Tag und deckt Such- und Rettungseinsätze ab).

6. Prävention und Sicherheitstipps

Registrierungspflicht: Alle Expeditionen müssen sich beim Nationalpark registrieren – wichtig für die Alarmierung im Notfall.

Kommunikation: Funkgeräte, Satellitentelefone oder InReach sind dringend empfohlen, da es am Berg kein Handynetz gibt.

Eigenverantwortung: Wegen der schwierigen Topografie dauert es oft Stunden bis Tage, bis Hilfe eintrifft.


Lawinen- und Wetterunfälle in den letzten Jahren

Lawine 2016

Am Normalweg (La Canaleta / Garganta) wurden neun Bergsteiger von einer Lawine erfasst. Fünf wurden gerettet, vier gelten als vermisst und wahrscheinlich verunglückt.

Unfall 2016 – Führer verschüttet

Ein lokaler Bergführer (Edgar Huaman Asis) kam im Juni 2023 bei einer Lawine zwischen Camp 1 und Camp 2 ums Leben. Die Gruppe überquerte einen Gletscherabschnitt, als ein Eisbruch ihn in eine Spalte stieß.

Italienische Bergsteigerin stürzt Opfer von Kälte

Im Juni 2025 verunglückte die 40-jährige Ärztin Chiaki Inada (Japan) am Huascarán – wahrscheinlich durch Hypothermie nahe dem Gipfel bei extremem Wetter. Ihre Begleiterin wurde mit Erfrierungen gerettet.

Vermisste und wiedergefundene Bergsteiger

William Stampfl (2002–2024)

Der US-Bergsteiger wurde 2002 bei einem Lawinenunfall vermisst. Erst im Juli 2024 entdeckte man seinen mumifizierten Körper auf 5.200 m Höhe – freigelegt durch das Schmelzen des Gletschers. Sein Fund sorgt für eine bewegende Rückkehr der Erinnerung.

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