La Paz Stadt der Gegensätze Bolivien Hochhäuser in La Paz

La Paz - Stadt der Gegensätze

Ein Reisebericht aus Südamerika - Bilivien - La Paz. Von Thomas Wilken.

...oder die Geschichte vom Bettler auf dem goldenen Thron.

Beim Einfahren in La Paz vom Altiplano aus werden meine Hoffnungen erst einmal enttäuscht, wenig Besonderes bietet sich meinen Augen, ein typisch südamerikanisches Stadtbild mit wenigen Attraktionen, eigentlich gar keinen. Relativ grau, eintönig und arm wirkt die Stadt, letzteres war natürlich zu erwarten, aber etwas mehr Farbe und Vielfalt hätte ich mir doch erhofft, und wo bleiben die vielgepriesenen Ausblicke auf die Berge?  Des Rätsels Lösung ist einfach, dieser Teil gehört zum höhergelegenen Stadtteil El Alto, eher das Armenviertel der Stadt. Auch der Flughafen befindet sich hier, dazu ein recht großer Terminal, immerhin hat El Alto mittlerweile ca. eine halbe Millionen Einwohner, aber keine der wirklich interessanten Gebäude der Stadt.

Die Sicht auf die Berge ist von Teilen El Altos allerdings durchaus vorhanden, wir waren aber noch im falschen Stadtteil unterwegs. Kurze Zeit später halten wir an einer eigentlich unscheinbar wirkenden Haltebucht, angeblich soll sich hier ein Aussichtspunkt befinden. Nach ein paar Metern Aufstieg weiß ich worum es geht, mein erster Blick auf die Stadt des Friedens. Sofort zieht mich dieser hochgradig chaotische Moloch in seinen Bann, welch eine Stadt, der absolute Hammer. Ein ganzer Talkessel mit Häusern gefüllt, dazu sind sämtliche erdenklichen Hänge bebaut, zwischendrin gibt es bizarre Felsformationen und sogar etwas Grün. Im tiefer gelegenen Innern liegen die vornehmeren Viertel, die Reichen bevorzugen die dickere Luft im unteren Stadtteil auf nur noch 3500-3000 Metern, während die Armen vor allem im 4000 Meter hohen El Alto anzutreffen sind. Inmitten des Häusermeeres befinden sich riesige Monumentalbauten, modernste Hochhäuser im westlichen Stil, welch ein Kontrast zu den ärmlichen und dauerhaft einsturzgefährdeten Blechhütten an den Berghängen. Hinter der Stadt thront  der dreiköpfige Illimani, der Berg der Berge, der Sitz der Götter. Inti Illimani wird er von den Indigena genannt, in Anspielung auf Inti die Sonne. Mit 6468 Metern ist der Illimani der zweithöchste Berg Boliviens und sicherlich auch einer der schönsten und imposantesten des Landes. Gleiches gilt auch für den 6088 Meter hohen Huayna Potosi, der mit seiner markanten Pyramidenform aus der eisüberzogenen Andenkette herausragt. Auf knapp 2 Millionen Einwohner mitsamt El Alto ist die Stadt mittlerweile angewachsen und damit die größte des Landes, dazu auch Verwaltungshauptstadt.

Wieder im Bus geht es an kleinen Waldstücken vorbei (mitten in der Stadt!) tieferen Regionen entgegen. Mein Bus hält im Indigenaviertel, direkt an der berühmten Marktstrasse Calle Linares. Hier finde ich auch schnell ein geeignetes Hotel, sodass ich mich mitten im marktähnlichen Treiben ansiedeln kann. Bunt und lebendig wirkt die Stadt, dazu chaotischer als mein Schlafzimmer, was sie mir gleich noch sympathischer macht. Die Strassen sind hier gepflastert und überwinden zum Teil beachtliche Höhenunterschiede, man beachte das es innerhalb des Stadtgebietes Höhenunterschiede von bis zu 1000 Metern gibt, das dürfte wohl Weltrekord sein. Weltrekord ist auch die mit durchschnittlich 3500 Metern angegebene höchstgelegene Hauptstadt der Welt. Lebendig und unendlich bunt wirkt das Straßenbild, vor allem durch die vielfarbige Wollbekleidung der Indigena hervorgerufen. Überall möchte man mir etwas verkaufen, mittendrin befinden sich zahlreiche Reiseagenturen. Hier muß ich mich also umschauen um Touren auf die großen Berge zu bekommen. Viel Besucher bemängeln die schlechte Luft von La Paz, welche einerseits durch Autoabgase verursacht wird, andererseits durch geruchsintensive oder auch schon etwas faulige Handelsware. Ersteres ist kein Wunder, scheint doch fast die ganze Stadt von Autos verstopft zu sein. Autos sind hier zu billig, fast jeder kann sich die älteren Modelle leisten erzählt mir ein Taxifahrer. Diese Autos bräuchten sich bei einem deutschen Tüv erst gar nicht vorzustellen, aber was soll die Anstellerei, sie fahren doch. Und sie blasen ordentlich Abgase in die ansonsten exzellente Höhenluft, welche aufgrund der Kessellage des Innenstadtbereiches nur sehr schwer abziehen können. Trotzdem hält sich die Geruchsbelastung hier durchaus noch in erträglichen Grenzen, eigentlich wäre weitaus Schlimmeres zu befürchten. Auch die vom Marktgeschehen hervorgerufenen Gerüche halten sich durchaus im erträglichen Rahmen, ja sie geben der Stadt sogar eine weitere sehr individuelle Note. Alles in allem hat mich der erste Eindruck von La Paz mehr als überwältigt.    

Chacaltaya – Skigebiet auf 5350 Metern Höhe

Nachdem ich mich etwas in La Paz umgesehen habe, buche ich eine Tagestour nach Chacaltaya um endlich in die Hochanden zu kommen. Leider sind diese mit öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch gar nicht zu erreichen und ein Taxi ist sehr teuer, sodass es am günstigsten ist, diesem 6 Dollar teuren Ausflug zu wählen. Mit dem Kleinbus geht es dann am nächsten Morgen zum höchstgelegenen Skigebiet der Welt, durchaus interessante Erklärungen verkürzen die Anfahrt. Zuerst passieren wir El Alto, das Armenviertel von La Paz auf über 4000 Metern Höhe. Auf über eine halbe Millionen Einwohner ist dieser Stadtteil mittlerweile angewachsen und bildet eigentlich eine eigenständige Stadt. Von den einheimischen Reiseführern ist aber wenig über El Alto zu erfahren, wahrscheinlich weil hauptsächlich Indigena hier leben und die laut eigenen Einschätzungen bessere Gesellschaft sich mit diesen weder identifiziert, noch solidarisiert. Armut und Rassismus werden dem Tourist nicht gezeigt, diese Themen versuchen sämtliche südamerikanische Gesellschaften zu verschleiern. Immerhin gibt es einen kurzen Zwischenstopp, allerdings mit Blick auf die „richtige“ Stadt, zum Einkaufen von Lebensmitteln. Dann geht es auf einer Schotterpiste immer höher hinauf. Besiedelte Flächen gibt es hier kaum noch, nur vereinzelt sind einige sehr einfache Hütten zu sehen, dafür kreuzen llamas den Weg, Enge Serpentinen führen in die Höhe, natürlich dürfen imposante Tief- und Fernblicke nicht fehlen. Sogar die weiße Kuppe des Sajamas ist zu sehen, in einigen Hundert Kilometern Entfernung versteht sich, dazu Tiefblicke zum viel näheren Titicacasee und von grün bis orange extrem vielfarbiges Gestein. Der hohe Eisengehalt im Boden sorgt für eine rötliche Färbung vieler Schuttfelder und auch Seen. Übrigens ist der Sajama das unfreiwillige Produkt eines Aufstandes des Mururuta, eines Nachbarerges des Illimani. Dieser bildet als Sonnengott natürlich auch die höchste Erhebung der Gegend, der nahe gelegenen Mururuta versuchte nun ihn an Größe und Macht zu übertreffen. Diesem Ansinnen machte der Illimani auf seine Weise ein Ende, nämlich indem er ihm einfach den Kopf abschlug. Dieser flog durch das halbe Land und ist heute der Vulkankegel des Sajama.

Auf 5100 Metern Höhe wird die Luft dann schon ziemlich dünn, eine Hütte des österreichischen Alpenvereins befindet sich hier, mit Übernachtungsmöglichkeit. Etwas weiter unten ist der Skilift zu finden, eine einzige Piste gibt es und einen Schlepplift. Einige aus der Gruppe geben sich dem Skivergnügen hin, ich hingegen nutze die Zeit um dem Chacaltaya selbst aus Dach zu steigen. Sehr langsam geht es hier oben vorwärts, gesund ist es bestimmt nicht 1500 Höhenmeter mit dem Bus zu überwinden und dann auch noch auf dieser Höhe Sport zu treiben. Trotzdem finden sich einige Gäste auf dem Gipfel ein, ich selbst gehe noch weiter um einen Nachbargipfel zu besteigen. Ausser der mich begleitenden Canadierin ist hier keiner mehr unterwegs, so schnell kann man die Zivilisation verlassen. Noch einige interessante Bergestalten ließen sich von hier aus besuchen, leider fehlt die Zeit. Phantastisch ist der Blick auf den nahen Huayna Potosi, majestätisch baut sich die Königin der Anden vor uns auf, eine fast makellose weiße Pyramide. Auf der anderen Seite ragt der markante Dreikant des Illimani auf, direkt darunter das Häusermeer von La Paz, daneben zahlreiche unbekannte Gipfel, wohl kaum je bestiegen, aber zum Teil äußerst interessante Berggestalten.

Viel zu früh für meine Begriffe geht es dann wieder mit dem Bus zurück nach La Paz, nächstes Mal werde ich mir wohl eine Übernachtung hier organisieren. Zum Abschluss besichtigen wir noch dal Valle de Luna, das Mondtal, direkt am südlichen, unteren Stadtrand von La Paz. Graugelbliche Erdpyramiden gibt es hier zu sehen, wäre die Landschaft nicht mit Wegen übersäht könnte man sich wirklich auf dem Mond wähnen. Ein Park schließt sich an und dieses Gelände ist auch mit öffentlichen Bussen zu erreichen. Sehr sicher soll es hier sein, was übrigens für fast das gesamte Stadtgebiet von La Paz gilt, falls man sich nicht gerade nachts in den abgelegenen Gassen herumtreibt, aber dieses wäre auch in Deutschland nicht weniger gefährlich.